Rugby: Meister SC 1880 hält Verfolger Handschuhsheim weiter auf Distanz. Die neue Punkteregel mit dem Fokus auf selbst ausgebildete Spieler will er jetzt schon umsetzen.

rnst zu nehmende Konkurrenz, so glaubt Mark Sztyndera, wird es für den SC Frankfurt 1880 in dieser Saison zur Genüge geben. Da ist der TSV Handschuhsheim, der den Achtzigern am vergangenen Wochenende als bis dato ungeschlagenes Team im Spitzenspiel der Süd-West-Staffel in der Rugby-Bundesliga gegenüberstand. Doch Sztyndera, stellvertretender Abteilungsleiter beim SC 1880, nennt mit Hannover 78 und dem Berliner Rugby Club auch zwei Mannschaften aus der Nordhälfte, die zu Recht Ambitionen auf den Gewinn der deutschen Meisterschaft anmelden könnten.

Wie viel Substanz dieser Prognose innewohnt oder ob sich die Aufzählung zuvorderst durch den Wunsch nach einem spannenderen Titelkampf als zuletzt begründet, wird sich im Frühsommer des kommenden Jahres zeigen. In den K.-o.-Spielen treffen dann die besten Teams beider Staffeln aufeinander. In diesen Duellen hatte sich Frankfurt in den vergangenen Jahren als unbezwingbar erwiesen und drei Meistertitel in Folge eingefahren. Auch am Samstag waren die Rot-Schwarzen das stärkere Team: Gegen Handschuhsheim siegten die Hessen 44:23. Trainer Byron Schmidt sprach trotz des Erfolges von Defiziten im Angriffsspiel, auf das er in dieser Saison einen besonderen Fokus legt. „Über 80 Minuten sind wir noch nicht konstant genug“, spielte der Südafrikaner auf die zweite Halbzeit an, in der Frankfurt den Gegner auf 30:23 hatte herankommen lassen, obwohl es nach gut einer halben Stunde schon 18:0 gestanden hatte.

Neues Punktesystem als Chance für die Konkurrenz
Meister zu werden ist nach wie vor das Ziel des SC 1880, mehr noch: „Wir wollen langfristig der dominierende Klub im deutschen Rugby bleiben“, sagt Schmidt. Und doch hofft man im Verein, auf dem Weg dorthin stärker gefordert zu werden als zuletzt. Was paradox anmutet, ist wohlkalkuliert. Vor Saisonbeginn setzte sich der Verein für eine neue Regel in der Bundesliga ein, die den Einsatz von eigens ausgebildeten Spielern fördern soll. Das wiederum soll langfristig für nachhaltigere Strukturen im deutschen Rugbysport sorgen. Bisher war es Usus, dass in den Kadern der Bundesligateams Spieler aus dem Ausland dominierten.

Die neue Regel, die von 2024 an verbindlich gelten soll, sieht ein Punktesystem vor: Die 15 Spieler in der Startaufstellung dürfen zusammen nicht auf mehr als 15 Punkte kommen. Während Akteure, die das Rugbyspielen nicht in Deutschland erlernt haben, zwei Punkte erhalten, werden in der vereinseigenen Jugend ausgebildete Spieler mit einem Minuspunkt bewertet. Mark Sztyndera erklärt, dass der SC 1880 versuche, die Vorgaben schon jetzt umzusetzen.

In dem Punktesystem könnte aber auch eine Chance für die Konkurrenz liegen – etwa für den TSV Handschuhsheim aus Heidelberg. Den Löwen sei es zuletzt besser gelungen als Frankfurt, die Lücke zwischen der U18 und der ersten Mannschaft zu schließen. „Sie haben ihre Spieler besser mitgenommen, besser integriert“, lobt Sztyndera den Finalgegner von 2019 und 2022. Handschuhsheim werde in diesem Punkt deshalb als Vorbild angesehen.

Transparenten Umgang mit den Spielern pflegen
Uli Byszio, Präsident des SC 1880 Frankfurt, hatte die Heidelberger vor Saisonbeginn gar als Meisterschaftskandidaten auserkoren: „Für uns wird es schwer, in diesem Jahr gegen sie zu bestehen.“ Das Topspiel war mit Spannung erwartet worden, hatten Frankfurt und Handschuhsheim doch aus den ersten vier Saisonspielen als einzige Teams die perfekte Bilanz von vier Bonuspunktsiegen vorzuweisen. Am Samstag bot sich auf der Anlage an der Feldgerichtstraße aber wieder einmal das gewohnte Bild. Ein erstes Signal, dass sich durch geänderte Regularien die sportlichen Kräfteverhältnisse in der Bundesliga nicht von jetzt auf gleich verschieben werden. Zumal anderen Teams das Einhalten der Vorgaben vom neuen Jahr an weitaus schwerer fallen dürfte als etwa Frankfurt und Handschuhsheim. Bundesligakonkurrent Offenbach zum Beispiel stellt in der Jugend derzeit keine eigenen Teams, sondern tritt mit Spielgemeinschaften an.

Für Frankfurt könnte die Herausforderung darin bestehen, die eigenen Spieler von der Notwendigkeit der Jugendförderung zu überzeugen. Mancher etablierte Spieler habe sich „vielleicht auf die Füße getreten gefühlt“, lässt Mark Sztyndera durchblicken, dass der eingeschlagene Weg nicht auf uneingeschränkte Gegenliebe stößt. Es sei wichtig, einen transparenten Umgang mit den Spielern zu pflegen, sagt Trainer Schmidt. Für individuelle Befindlichkeiten habe er aber keine Zeit.

Auch wenn der Bundesligatitel das Ziel der Frankfurter bleibt, sind die sportlichen Ambitionen ein Stück nach hinten gerückt. Zuletzt hatte der Verein darüber nachgedacht, ob der nationalen Dominanz an einem internationalen Wettbewerb teilzunehmen. Dort aber hätte man mit den besten Spielern antreten müssen; für Talente aus der U18 wäre dann kaum Platz gewesen. Deshalb, sagt Sztyndera, stehe eine Teilnahme derzeit nicht mehr im Fokus des Vereins.
SC 1880 Frankfurt ist die neue alte Macht im Rugby (faz.net)