Wenn ein Verein wie der SC 80 Frankfurt froh ist keine Nationalspieler zu haben

Rugby: Heute beginnt die 7er-Europameisterschaft mit Deutschland als Titelverteidiger – Gegensatz zur traditionellen 15er-Version weiter in Diskussion

Teil I Frankfurt – Nach 13 Monaten des Stillstandes geht es im deutschen Rugby wieder darum, sich Meriten zu verdienen. An diesem Wochenende findet das erste von voraussichtlich nur zwei Turnieren der 7er Europameisterschaftsserie statt. Austragungsstätte ist Lissabon: die Portugiesen springen in die Presche, da in Georgien die Corona-Infektionslage angespannt ist und Kutaissi deshalb nicht mehr als Austragungsort infrage kam. Die Auswahl des Deutschen Rugby-Verbands (DRV) tritt als Titelverteidiger in Lissabon an.

Im vorläufigen DRV-Kader stehen unter anderem Samuel Rainger und Leon Hess vom Erstligisten RK Heusenstamm sowie Robert Haase vom ambitionierten Zweitligisten BSC Offenbach. Einen Spieler des 15er-Meisters SC 80 Frankfurt nominierte Bundestrainer Damian McGrath indes nicht. „Gott sei Dank“, antwortete darauf Ulrich Byszio, Zweiter Vorsitzender und großer Rugbyförderer im Verein.

Byszio drückt damit aus, was schon seit mehreren Jahren-Rugby-Deutschland belastet: der Gegensatz zwischen der traditionellen15er-Version und der olympischen 7er-Variante. Der Unternehmer (56) hat seine Konsequenzen daraus gezogen und ist als DRV-Vize-Präsident Jugend zurückgetreten. Mangelnde finanzielle Ausstattung seines Bereiches mit deutlicher 15er-Ausrichtung, nicht nachvollziehbarer Kritik an seiner Person sowie unzureichender Willen im DRV, Missstände offenzulegen und aufzuklären, seien dafür entscheidend gewesen, sagte Byszio.

Unregelmäßigkeiten in den DRV-Konten?

Vor allem der letzte Punkt ist brisant. Nach Aussage des Frankfurters habe er Konteneinsicht in dem Zeitraum wischen Januar 2020 und Februar 2021 gehabt. Dabei seien ihm zwar keine persönlichen Bereicherungen, aber doch Unregelmäßigkeiten aufgefallen. Byszio warf den verantwortlichen Akteuren Unerfahrenheit einen Verband zu führen, dies betreffe auch die Außen-Darstellung.

Dabei war Byszio 2019 mit Präsident Harald Hees (RK Heusenstamm) und Matthias Entenmann (RG Heidelberg), dem Vizepräsidenten Finanzen, angetreten, den DRV nach dem finanziellen Desaster, das Ex-Präsident Robin Stalker hinterlassen hatte, in ruhige Bahnen zu lenken. Byszio, Hees und Entenmann hatten einst zusammen in der 7er-Nationalmannschaft gespielt. Eine gesunde Basis, sollte man meinen.

Ich hatte ihnen vertraut, dass ihr Herz nicht nur für das „7er“ schlägt, sagte Byszio und beklagt fehlende finanzielle Ausstattung. So hätten ihm als DRV-Vize Jugend für Maßnahmen im ersten nur 3.000 Euro zur Verfügung gestanden, im zweiten 10.000 Euro. Mit solchen geringen Beträgen hätten sich keine nachhaltigen Maßnahmen durchführen lassen. Nach interner Kritik, er würde keine Konzepte erstellen, trat Byszio von seinem Amt zurück, ebenso Nachwuchs-Sportdirektor Michael Poppmeier.

Konfrontiert mit diesen Aussagen, betonte Jens Poff (DRV-Vorstand Finanzen), Byszio hätte nur Einsicht gehabt, in ein „privates Sonderkonto“ und führte aus: „Die Konten des DRV von der Geschäftsstelle und Finanzvorstand geführt und weisen keine Unregelmäßigkeiten auf. Diese Konten werden von Kassenprüfern überprüft, von externen Steuerberater gebucht und bilanziert und vom BMI/BVA (Bundesministerium des Innern/Bundesverwaltungsamt. d.Red.) geprüft.

Zu den Vorwürfen Byszios, ihm hätten für 2020 nur 3.000 Euro und für 2021 nur 10000 Euro für Maßnahmen zur Verfügung gestanden entgegnete Poff, die jeweiligen Summen hätten mehr als 20.000 Euro (zuzüglich 15.000 Euro der Deutschen Sportjugend) und 70.000 EUR – aufgeteilt in 30.000 EUR Büro für die U20, 40.000 EUR für die U18 betragen.

Zu den Kritikern Byszios gehört auch Präsident Harald Hees. Bei der Sanierung des Verbandes sei abzusehen gewesen, „das eine positive Fortführungsprognose einen Ausgaben Stopp in einigen Teilbereichen bedeuten würde. Darunter fiel auch die Jugend, die wir aber trotzdem gerade bei Herrn Byszios in guten Händen wähnten. Dem war nicht so. Es war nicht die Fähigkeit des Finanzgenies, sondern der Eifer eines Antragstellers, welcher Projekte anstößt, um Förderungen auszulösen, um zeitweilig mit kleinen Schritten eine Weiterentwicklung zu sichern. Corona hätte aber auch lähmende Wirkung gehabt. Und hat das Konfliktpotential im DRV wohl zusätzlich geschürt. Der Ursprung der Misere im deutschen Rugby in jüngerer Vergangenheit ist sehr eng mit der Person Hans-Peter Wild verbunden. Nach dem Rückzug des Mäzens und Milliardärs vor drei Jahren, vor allem weil er dem Verband fehlende Professionalität vorwarf, ist der DRV klamm. Darunter leidet in erster Linie das traditionelle 15er Rugby, denn die Gelder, die der DRV vom Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) / Bundesministerium des Innern (BMI)erhält sind zweckgebunden und somit ausschließlich für die olympische 7er-Variante einsetzbar.

Während die 7er-Auswahl ziemlich erfolgreich ist, wobei der Stellenwert im Gesamtkontext gesehen überschaubar ist, rutschte die 15er-Mannschaft in die europäische Drittklassigkeit ab und spielt in der Europe Trophy gegen (sportliche) Leichtgewichte wie Ukraine oder Litauen. In Wilds Ära war Deutschland drauf und dran gewesen sich erstmals für eine Weltmeisterschaft zu qualifizieren.

Laut Byszio gebe es bei einigen Vereinen inzwischen Überlegungen eine eigenständige unabhängige Liga zu gründen. Der Hintergrund: Der Bundesliga-Spielbetrieb kollidiert teils mit 7er-Nationalmannschafts-Lehrgängen und -Turnieren des DRV. Falls Vereine ihre nominierten Spieler nicht abstellen, werden sie für die Ligaspiele gesperrt – in der Vergangenheit hat diese Konstellation schon für Verdruss bei Klubs geführt, die zwar über einige 7er-Auswahlspieler verfügen, sich aber aus finanziellen Gründen keinen breiten Kader leisten können und wegen dieser strukturellen Nachteile in der Bundesliga ihre Ambitionen mussten oder gar in sportlich Nöte gerieten, wie der RK Heusenstamm.

Sollten aus diesen von Ulrich Byszio erwähnten Überlegungen Bestrebungen werden, droht dem deutschen Rugby-Verband die Zerreißprobe. Aber auch in der aktuellen Konstellation, aus einer schwachen Position heraus konkurrierende Strömungen zu vereinen, steht der DRV weiter vor einer komplizierten zu lösenden Aufgabe. „Wir brauchen eine breitere Basis, sagt Byszio, der mit dem SC 80 wie kein anderer Verein in Deutschland Nachwuchsarbeit forciert. Um diese Basis in der Nach-Corona-Zeit zu schaffen, braucht es viel Zeit und auch das nötige Know-how, Engagement, sowie finanzielle Mittel.

Frankfurter Neue Presse JUN 2021 (STEPHAN FRITSCHI)

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